Wie Sie vielleicht in den letzten Wochen und Monaten mitbekommen haben, hat der Landesgesetzgeber von Rheinland-Pfalz die verpflichtende Umstellung des Straßenausbaubeitrag-Systems beschlossen. Somit müssen alle Kommunen in Rheinland-Pfalz bis zum 01.01.2024 ihr Beitragssystem von den sogenannten einmaligen Beiträgen auf die wiederkehrenden Beiträge (im nachfolgenden als wkB bezeichnet) umstellen.
Die Ortsgemeinde Brachbach hat mit Ratsbeschluss vom 12.10.2022 die wkB zum 01.11.2022 eigeführt - die ersten Beitragsrechnungen sind aber frühestens im Jahr 2024 zu erwarten.
Bei den bisherigen Einmalbeiträgen ist es bis dato so, dass alle Anlieger einer Verkehrsanlage zu den Ausbaubeiträgen herangezogen wurden. Bei den wkB wird es in Zukunft so sein, dass alle Anlieger innerhalb eines Abrechnungsgebietes (jährlich) zu den Beiträgen herangezogen werden. Im nachfolgenden Text möchten wir Ihnen das System der wkB ausführlich erläutern.
Ein Abrechnungsgebiet kann ein gesamtes Gebiet der Ortsgemeinde/Stadt oder aber einzelne Teile einer Ortsgemeinde/Stadt sein. Dies ist von der Struktur einer jeweiligen Ortsgemeinde/Stadt abhängig und ist nicht automatisch mit dem Ortsgemeinde-/Stadtgebiet gleichzusetzen. Daher kann ein Ortsgemeinde-/Stadtgebiet auch nicht willkürlich als Abrechnungsgebiet festgesetzt werden, sondern muss nach der geltenden Rechtsprechung in einzelne Abrechnungsgebiete eingeteilt werden. Im Fall der OG Brachbach ergibt sich eine Aufteilung in zwei Abrechnungsgebiete: Brachbach-Zentrum und Brachbach-Auf der Hüte. Beim wiederkehrenden Beitrag verschmelzen alle Verkehrsanlagen innerhalb eines Abrechnungsgebietes zu einer einzigen Verkehrsanlage, sodass alle Eigentümer von Grundstücken Ausbaubeiträge zu zahlen haben, die durch das komplette Straßennetz innerhalb eines Abrechnungsgebietes erschlossen werden, unabhängig davon, ob an der konkreten Verkehrsanlage Straßenausbaumaßnahmen durchgeführt werden oder nicht. Da sich der Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke erweitert, sinkt die Beitragsbelastung pro m², mit der Folge, dass es zu einer signifikanten Absenkung der Beitragshöhe im Vergleich zum Einmalbeitrag kommt. Andererseits kann es dazukommen, dass ein beitragspflichtiger Grundstückseigentümer für den Ausbau anderer Straßen in der Abrechnungseinheit zu wiederkehrenden Beiträgen herangezogen wird, die „eigene“ Straße aber keine Ausbaumaßnahme erfährt. Die rechtliche Begründung zur Aufteilung des Ortsgemeindegebiets in Abrechnungsgebiete ist Bestandteil der jeweiligen Satzung.
Gemäß § 10a Absatz 5 Kommunalabgabengesetz Rheinland-Pfalz (KAG) entsteht die Beitragsschuld mit Ablauf des 31.12. eines jeden Jahres. Die umlagepflichtigen Kosten setzen sich aus den jährlich tatsächlich entstandenen Investitionsaufwendungen zusammen. Hierbei werden alle Rechnungen für Straßenausbaumaßnahmen an Verkehrsanlagen berücksichtigt, welche innerhalb der einheitlichen öffentlichen Einrichtungen liegen. Dies bedeutet, dass die Abrechnung des wiederkehrenden Beitrags grundsätzlich rückwirkend für das abgelaufene Kalenderjahr erfolgt. Beispiel: Im Jahr 2024 wird der wiederkehrende Beitrag für das Kalenderjahr 2023 festgesetzt und erhoben. Die Gemeinden / die Stadt können durch Ratsbeschluss (für jedes einzelne Beitragsjahr gesondert)bestimmte Fälligkeitstermine festlegen, sodass der wkB ähnlich wie die Grundsteuer in „Abschlägen“ gezahlt werden kann.
Nein! Wiederkehrende Straßenausbaubeiträge müssen nur gezahlt werden, wenn in dem Abrechnungsgebiet, indem sich das beitragspflichtige Grundstück befindet, im Kalenderjahr auch tatsächlich Straßenausbaumaßnahmendurchgeführt und hierfür Kosten in Rechnung gestellt werden. Der wkB ist für die Kommunen nicht als eine Art „Spardose“ zu betrachten, in der die Beiträge für zukünftige Straßenausbaumaßnahmen gesammelt werden können. Stichtag ist immer der 31.12. des abgelaufenen Jahres. (Der Anteil der Ortsgemeinde, bzw. der Stadt sowie der wiederkehrende Beitrag für die ortsgemeinde- und stadteigenen Grundstücke müssen, wie beim Einmalbeitrag auch, von der Ortsgemeinde/Stadt getragen werden).
Nein! Die Höhe des wkB errechnet sich in jedem Jahr neu. Diese ist einerseits abhängig von den Kosten, die in einem Jahr innerhalb eines Abrechnungsgebietes anfallen und andererseits von der Summe der beitragspflichtigen Grundstücksflächen (z.B. Wegfall von Artzuschlägen; Grundstücke, die aus der Verschonung kommen).
Die Ortsgemeinde hat die Möglichkeit, Grundstücke, die in den letzten Jahren zu Erschließungsbeiträgen, Ausbaubeiträgen oder Ausgleichsbeträgen nach BauGB (Sanierungsgebiet) herangezogen wurden, von der Entrichtung wiederkehrender Ausbaubeiträge zu verschonen. Die gesetzlich vorgeschriebene Höchstdauer der Verschonung beträgt 20 Jahre. Die OG Brachbach hat dazu eine Satzung zur Verschonung von Abrechnungsgebieten gemäß § 14 der Satzung zur Erhebung von wiederkehrenden Beiträgen für den Ausbau von Verkehrsanlagen der Ortsgemeinde erlassen. Folgende Übergangsregelung nach einer einmaligen Belastung ist darin geregelt:
EUR 0,01 bis 1,00/m² gewichtete Grundstücksfläche – 1 Jahre
EUR 1,01 bis 2,00/m² gewichtete Grundstücksfläche – 2 Jahre
EUR 2,01 bis 3,00/m² gewichtete Grundstücksfläche – 3 Jahre
[……]
EUR 17,01 bis 18,00/m² gewichtete Grundstücksfläche – 18 Jahre
EUR 18,01 bis 19,00/m² gewichtete Grundstücksfläche – 19 Jahre
mehr als EUR 19,01/m² gewichtete Grundstücksfläche – 20 Jahre
Nein! Zunächst muss erst einmal zwischen Erschließung und Ausbau unterschieden werden. Bei der Erschließung handelt es sich um die erstmalige Herstellung einer Straße, wofür Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuchgezahlt werden müssen. Beim Ausbau werden Beiträge für die Erneuerung, Erweiterung, Verbesserung oder dem Umbau einer bereits erstmalig hergestellten (bestehenden) Straße gezahlt. Kosten für die Unterhaltung von Straßen sind von der Ortsgemeinde/Stadt zu tragen, zum Beispiel Ausbesserungen von Schlaglöchern oder der Austausch einer defekten Straßenlampe.
Nein! Die Ortsgemeinde/Stadt trägt, so wie beim Einmalbeitrag auch, einen Teil der Kosten, den sogenannten Gemeindeanteil. Der Gemeindeanteil der OG Brachbach beträgt in beiden Abrechnungsgebieten 20 %. Die verbleibenden Kosten werden nach eingehender Überprüfung (nicht alle Kosten sind umlagefähig) unter den Beitragspflichtigen aufgeteilt.
Nein! Dies liegt daran, dass sich der beitragsrelevante Vorteil nicht mehr an der einzelnen Straße orientiert, sondern am gesamten Straßennetz im Abrechnungsgebiet. Dies wurde von der Rechtsprechung (OVG Rheinland-Pfalz) mehrfach bestätigt.
Zunächst werden die beitragspflichtigen Gesamtkosten aller Baumaßnahmen in einem Abrechnungsgebiet für das abzurechnende Jahr ermittelt. Hierunter fallen, wie oben bereits erwähnt, auch nur die Kosten für die Ausbaumaßnahmen. Kosten für Erschließungsmaßnahmen, Unterhaltungen und Instandsetzungen (Ausbessern von Schlaglöchern) zählen nicht dazu.
Berechnung der beitragspflichtigen Gesamtkosten für alle im Abrechnungsgebiet ausgebauten Straßen:
· Planungskosten 50.000 €
· Baukosten 350.000 €
· Straßenbeleuchtung 20.000 €
· Investitionskostenanteil an der Straßenoberflächenentwässerung 30.000 €
· Vermessungskosten 50.000 €
Summe: 500.000 €
Hiervon wird der oben bereits erläuterte Gemeindeanteil abgezogen; bspw. 25 %.
500.000 € - 100.000 € (20% Gemeindeanteil) = 400.000 €
Diese beitragsfähigen Kosten werden dann durch die gesamten beitragspflichtigen Grundstücke eines Abrechnungsgebietes geteilt und ergeben so einen Beitragssatz pro m² beitragspflichtiger Grundstücksfläche. Dieser ermittelte Beitragssatz wird anschließend mit der beitragspflichtigen Grundstücksfläche / gewichteten Fläche multipliziert und ggfs. entsprechend auf den Miteigentumsanteil an dem Grundstück aufgeteilt.
Für diese Ermittlung ist die Grundstücksfläche und die mögliche bauliche Nutzung ausschlaggebend.
A) Ermittlung der Grundstücksfläche
Grundsätzlich ist die gesamte Grundstücksfläche beitragspflichtig. Bei Grundstücken, die nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen, gibt es jedoch eine Ausnahme: Bei diesen Grundstücken bleiben unbebaute Grundstücksteile, die mehr als 40 m von der Verkehrsanlage (gemessen von der Straßenfront) entfernt liegen, bei der Ermittlung der beitragspflichtigen Grundstücksfläche unberücksichtigt (Tiefenbegrenzung).
Erläuterungen:
Grundstück 1: Grundstück wird mit der gesamten Grundstücksfläche (hellblau gefärbte Fläche) zu Beiträgen herangezogen, da es innerhalb der Tiefenbegrenzung (TB) liegt.
Grundstück 2: Grundstück wird mit der Grundstücksfläche innerhalb der Tiefenbegrenzung 40 m zu Beiträgen herangezogen.
Grundstück 3: Bebautes Grundstück. TB geht durch das Wohngebäude und somit verschiebt sich die Tiefenbegrenzungslinie bis zur hinteren Grenze des Wohngebäudes.
Grundstück 4: Das unbebaute Grundstück wird durch einen Weg erschlossen. In diesen Fall wird die TB ab der Grundstücksgrenze des Weges berechnet. Das heißt, das gesamte Grundstück (35 m Tiefe) ist zu Beiträgen heranzuziehen.
B) Ermittlung der baulichen Nutzung
Die bauliche Nutzung wird durch das Maß und die Art der baulichen Nutzung wiedergegeben. Unter dem Maß der baulichen Nutzung versteht man den sogenannten Vollgeschosszuschlag: Der Zuschlag je Vollgeschoss muss in der Satzung festgelegt werden, z.B. 15 v.H. je Vollgeschoss. Hierunter sind Vollgeschosse im Sinne des § 2 Absatz 4 der Landesbauordnung RLP zu verstehen. Dabei ist anzumerken, dass sich der Vollgeschosszuschlag auf die gesamte Grundstücksfläche berechnet und sich nicht auf die Wohnfläche des jeweiligen Gebäudes bezieht. Ein Dachgeschoss ist demnach ein Vollgeschoss, wenn es über ¾ oder mehr der Grundfläche desdarunterliegenden Geschosses aufweist. Berücksichtigt wird jedoch nur die Fläche, die eine Höhe von mindestens 2,30 m misst. Ein Keller ist ein Vollgeschoss, wenn seine Deckenoberkante im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt und wenn die Geschosshöhe 2,30 m beträgt.
Unter der Art der baulichen Nutzung versteckt sich der umgangssprachlich genannte Gewerbezuschlag. Grundstücke, die in einem Industrie- oder Gewerbegebiet liegen oder die ausschließlich gewerblich genutzten Grundstücke in sonstigen Baugebieten, werden mit einem festzulegenden Zuschlag belastet. Grundstücke, die teilweise gewerblich genutzt werden, erhalten ebenfalls einen Zuschlag. Dieser Zuschlag ist jedoch geringer als für die ausschließlich gewerblich genutzten Grundstücke. Grund hierfür ist die typisierte höhere bzw. teilweise höhere Nutzung der Straße gegenüber der einfachen Wohnnutzung. Gemäß Satzung werden für Grundstücke in Kern-, Gewerbe- und Industriegebieten die Maßstabsdaten (gewichtete Grundstücksflächen) z.B.um 20 v.H. erhöht. Dies gilt entsprechend für ausschließlich gewerblich, industriell oder in ähnlicher Weise genutzte Grundstücke in sonstigen Baugebieten und innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 Baugesetzbuch). Bei teilweise gewerblich, industriell oder in ähnlicher Weise genutzten Grundstücken (gemischtgenutzte Grundstücke) in sonstigen Baugebieten und innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteilen (§ 34 Baugesetzbuch) erhöhen sich die Maßstabsdaten dann z.B. um 10 v.H..
Beispiele zur Berechnung der beitragspflichtigen Grundstücksfläche mit einer Grundfläche von 800 m²
Beispiel 1: Wohngrundstück mit 1 Vollgeschoss
Beispiel 2: Wohngrundstück mit 2 Vollgeschossen und 100 m² Tiefenbegrenzung
Beispiel 3: teilweise Wohngrundstück und teilweise gewerblich genutztes Grundstück mit 1 Vollgeschoss
Beispiel 4: ausschließlich gewerblich genutztes Grundstück mit 3 Vollgeschossen und 50 m² Tiefenbegrenzung
Nein! Alle Eigentümer werden lediglich in Höhe ihres Teileigentumsanteils laut Grundbuch bei der Beitragsveranlagung veranlagt, nicht aber für die gesamte Grundstücksfläche.
Nein! Sowohl wiederkehrende Ausbaubeiträge als auch Einmalbeiträge dürfen laut Rechtsprechung mehrerer Gerichte nicht auf Mieter umgelegt werden.
Die Satzungen, Anlagen und Erläuterungen dazu:
Ausbaubeitragssatzung ab 01.11.2022
Anlage 1: Abrechnungsgebiete
Anlage 2: Begründung Abrechnungsgebiete
Bei weiteren Fragen zu den Ausbaubeiträgen wenden Sie sich bitte an die zuständigen Mitarbeiter*innen der Verbandsgemeindeverwaltung oder ans Ortsgemeindebüro.